Iran, Margoon und Kuh Gol

Datum: 10. Mai 2022

Margoon Wasserfall

Als wir das Stadtgewusel und Verkehrschaos von Shiraz hinter uns lassen, erreichen wir schon bald die hochebenenartige Region Sepidan. Plötzlich erstreckt sich vor uns eine Aussicht auf eine saftig grüne und hügelige Landschaft kombiniert mit kargen und trockenen Gesteinsformationen. Im Hintergrund sind Berge mit schneebedeckten Spitzen sichtbar.

Flo und ich sind beim Anblick dieses Grüns und den Bergen begeistert und erleben den Ausblick als ein bisschen schweizerisch. Rahel, meine Schwester, muss bei dieser Aussage schmunzeln. Direkt von der Schweiz hierhin gereist, erkennt sie den Unterschied und erlebt die Umgebung trotz saftig grünen Flächen und Bergpanoramen als fremdländisch ;).

Die Strasse führt uns weiter bis zum Dorf Maregoon. Wir befinden uns nun etwa auf 2’200 Metern und etwa 150 km von Shiraz entfernt. Es ist Wochenende und deshalb wäre ein kleiner Eintritt für den Besuch des Wasserfalls fällig. Als der Einkassierer uns drei sieht und uns als ausländische Touristen erkennt, werden wir mit einem freudigen Lachen begrüsst und mit einem Winken ohne Gebühr durchgelassen.

Ab jetzt ist die Strasse pistenartig und schmal. Bald erreichen wir den „Parkplatz“. Ich fahre bis ganz ans Ende des Weges, doch hier hat es keinen Platz mehr. Das Wenden des Autos versetzt mich in Anspannung und Nervosität. Es ist eng und steil. Doch ich schaffe es mit Zuspruch meiner Mitreisenden – nur die Kupplung muss etwas leiden.

Nach einem kurzen Spaziergang erreichen wir den Margoon Wasserfall, vom Persisch ins Deutsch übersetzt bedeutet sein Name „schlangenähnlich“. Aufgrund der Lichtverhältnisse fällt es uns schwer, den schönen Wasserfall fotografisch gut einzufangen, doch in der Realität beeindruckt er mich: An den verschiedensten Stellen strömt das Wasser aus der Wand, Moos schmückt die Umgebung und das sich zerstreuende Wasser hinterlässt feinen Niesel in der Umgebung, der sich mit den Sonnenstrahlen vermischt.

Es ist Wochenende und von jung bis alt wird der imposante Wasserfall besucht. Egal ob Säugling oder ältere Menschen mit wackligem Schritt, unbeirrt finden die Iranerinnen und Iranern ihren Weg über die glitschigen Steine, bepackt mit den verschiedensten Leckereien und Shisha-Ausrüstung, mit dem Ziel, einen geeigneten Picknick-Platz zu finden.

Ein Paar, wohl um die 55 bis 60 Jahre alt, wohnhaft in Hamedan, spricht uns an. Ihre Kinder leben im Ausland und sie selbst waren schon in verschiedensten Ländern. Beide können Deutsch und wir gehen ein Stück zusammen. Sie würden sich über einen Besuch von uns bei ihnen zu Hause in Hamedan freuen. Die Einladung in ihr Haus inklusive grossem Garten klingt verlockend. Wir kalkulieren die Kilometer, doch dies reicht während des Besuches meiner Schwester nicht aus und wir lehnen dankend ab.

Eine 8-köpfige Familie begrüsst uns. Ein sprachlicher Austausch ist nicht möglich, doch ein gemeinsames Foto bringt allen Freude. Schon bald spazieren vier Jugendliche an uns vorbei. Einige Meter später stoppen sie und einer fragt schüchtern, ob wir ein gemeinsames Foto machen können, was wir gerne machen. Kaum beim Auto angekommen, spricht uns ein Paar mit Kind an und es folgt eine Fotoshooting vor unserem Auto. Also ein ganz normale Ausflug im Iran.

Es sind doch nur noch 100 Kilometer und eine kalte Nacht auf Beton

Die Sonne scheint, es ist mittlerweile schon später Nachmittag und es lädt ein, irgendwo hier in der Region Sepidan einen Übernachtungsplatz zu finden. Doch unser eigentliches Ziel heute ist Kuh Gol, was noch 100 Kilometer entfernt liegt. Wir wägen ab und entscheiden uns für die Weiterfahrt. Nach unserem Einkauf in Yasuj beginnt bald die Dämmerung und wir haben genug vom Fahren, doch noch sind wir nicht ganz am Ziel. Die Strasse ist kurvig und es geht bergauf. Der letzte Reiseabschnitt zieht sich, denn es geht nur langsam vorwärts.

Knapp vor Dunkelheit erreichen wir den „Campground Kuh Gol“. Es ist ein typischer iranischer Park mit kleinen überdachten Häuschen und Betonplatten. Es hat auch ein WC-Haus inklusive Wasser. Alles ist überwachsen und kombiniert mit der Kälte in dieser Höhe wirkt der Ort fast etwas unbehaglich auf uns. Mitten in unserer Unsicherheit taucht ein Herr auf und erklärt uns etwas, doch wir verstehen nichts. Google Translate ist keine grosse Hilfe. Nur wenige Minuten später ergänzt ein junges Paar unsere Versammlung. Sie strahlen uns an und erklären, dass sie auch hier übernachten werden. Durch dieses Wissen verfliegen unsere Unsicherheiten. Wir wählen uns ein Häuschen für Rahels Zelt aus und parkieren gleich daneben unseren Mitsu.

Im Unterstand neben an baut das iranische Paar ihr Zelt auf. Sie sind aus der Region Kurdistan des Irans und bereisen ein paar Tage das Land. Die junge Frau kann sehr gut Englisch und hilft beim Übersetzen, denn ihr Mann hat sichtlich grosse Freude, Flo kennen zu lernen. Schon nach kurzer Zeit des Austausches nennt er ihn „kak Flo“ (= Freund / Bruder Flo). Das Paar findet die Religion Islam an sich in Ordnung, doch sie kritisieren die Auslegung des Islams der Oberhaupte im Iran. Der Islam sage, man solle offen und friedlich mit seinen Mitmenschen sein, doch der Iran habe unglaublich viele Konflikte mit den verschiedensten Ländern.

Während wir unser Gemüse und Reis kochen, brutzeln bei ihnen schon die Fleischspiesse auf der Glut. Zum Glück isst Rahel ab und zu Fleisch und probiert zu den Freuden des iranischen Paars einen Geflügelspiess. Trotz Kälte sitzen wir noch eine Weile zu fünft zusammen und plaudern, bis irgendwann die tiefen Temperaturen uns alle ins Bett treibt. Flo und ich schlafen ruhig und im Warmen, bei Rahel zieht die Kälte durch die Zeltwände und die Betonplatte ist trotz Isolationsmatte als steinharte Unterlage zu spüren. Und so ist gut, als dann die ersten Morgenstrahlen unseren Stellplatz erreichen.

Zu einer kurzen Irritation führt am Morgen ein junger Mann auf einem Motorrad, welche von uns Geld fürs Übernachten fordert. Nur wenig später erscheint der Herr von gestern Abend und schickt den Mann weg. Das junge Paar übersetzt: Es ist eine Gebühr für die Übernachtung fällig, dies sei die offizielle Person. Es koste für uns 800’000 Rial (etwa 2.50 Euro), für sie beide auch. Dies sei für die Übernachtung und den Besuch des Sees. Wir sind etwas irritiert, bezahlen aber und erhalten auch eine Quittung hierfür. Für Übernachtungen in solchen Parks haben wir bis anhin nie etwas bezahlt, kleine Eintritte für Besuche von gewissen Natursehenswürdigkeiten an den Wochenende schon. Nun ja, der Ablauf war irritierend aber wird schon seine Richtigkeit haben.

Wanderung zum Kuh Gol See

Die Wanderung zum Kuh Gol See ist ein angenehmer Spaziergang von 1 Std. 20 Min. hin und zurück: Blühende Blumenwiesen, ein kleiner Bergsee und rundherum Berge. Was für eine schöner Anblick! Hier sieht es nun wirklich ein bisschen wie in der Schweiz aus.

Wir befinden uns im zentralen Zagros-Gebirge im Dena-Massiv. In dieser Region soll es neben verschiedensten Pflanzen eine Vielzahl an Wildtieren wie Bären, Adler, Wölfe, Wildkatzen, Luchse, Leoparden und Wildziegen geben. Wieviel es von den einzelnen Tierarten in dieser Region wirklich gibt, konnten wir nicht herausfinden. Den Tipp für den Ausflug an den Kuh Gol See haben wir von unserem Freund Mohsen erhalten, vielen lieben Dank.

Beim See werden wir von einer Frau in ein Gespräch verwickelt. Sie ist Englisch-Lehrerin und hat immer wieder folgende Diskussion mit ihren Schülerinnen und Schülern: Ihre Schützlinge beharren darauf, dass „Switzerland“ und „Sweden“ das Gleiche sei, also beide Wörter das Land „Schweiz“ bezeichne. Sie erkläre ihnen immer wieder, dass dies nicht so sei, doch geglaubt wird ihr nicht wirklich. Als wir ihr bestätigen, dass „Switzerland“ und „Sweden“ zwei unterschiedliche Länder sind, fragt sie uns, ob wir eine Videobotschaft machen würden. Ihre Schülerinnen und Schülern würden sich so oder so freuen, Menschen aus der Schweiz zu sehen und sie werden es dann womöglich auch glauben. Und so nehmen wir, mitten im Bergpanorama an junge Menschen eine Videobotschaft auf, die den Unterschied von „Switzerland“ und „Sweden“ erklärt. Und mit gleich einigen weiteren Infos, die sie zum Erstaunen bringen könnten, wie zum Beispiel dass es in der Schweiz eine Nachtruhe ab 22:00 Uhr gibt. Dass danach die Polizei gerufen werden und diese einem eine Ordnungsbusse geben kann, kann sich hier in diesen Ländern niemand vorstellen.

Übernachtungsorte: 10.05. Kuh Gol Campground

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert