Datum: 22. Mai – 23. Mai 2022
Ihr müsst unbedingt nach Gilan
Die Iranerinnen und Iranern schwärmen von der Region Gilan, eine Provinz im Nordiran. Wir haben Fotos von grünen Hügeln, farbigen Blumenwiesen und Nebelwälder gesehen und wollen uns nun selbst ein Bild machen, ob diese umschwärmte Region auch uns umhauen wird. Da wir nur noch eine begrenzt Anzahl Tage haben, bis unser Visa ausläuft und wir den Iran verlassen werden, lassen wir uns von den Tipps der Iranerinnen und Iranern leiten.
Waren wir so eben noch etwas enttäuscht von unseren ersten Eindrücken an der Küste, verändert sich nun unsere Bild. Unser erster Eindruck: Es ist unglaublich grün, die sichtbaren Berge mit unzähligen Bäumen bewachsen, Reisfelder so weit das Auge reicht, Teeplantagen in unterschiedlichen Grössen und dschungelartige Wälder.
Abseits der Pfade
Mahdis hat uns unter anderem die Region um Sidasht empfohlen. Bei Siāhkal geht die Fahrt durch einen der dschungelartigen Wälder bis wir die Baumgrenze passieren und die Region um die Ortschaft Dailam erreichen. Gerne würde ich weiterführende Informationen zu dieser Region schreiben, doch ich finde auf Deutsch kaum Erläuterungen. Ich sehe jedoch einige Wandermöglichkeiten, satte grüne Wiesen und viele Bauernhöfe.
Kurz vor Galangash erreichen wir einen Aussichtspunkt. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass dieser unser heutiger Übernachtungsplatz wird. Etwas nach Galangash sind zwei Wege auf unserer Karte notiert, um das Dorf Sidasht zu erreichen. Wir entscheiden uns für die rechte Abzweigung und landen innert wenigen Minuten auf einer schmalen Schotterpiste mitten im Wald. Zwar sehen wie die eine oder andere Stellplatzmöglichkeit im Wald, doch wir präferieren Stellplätze mit Aussicht und fahren bis kurz vor das Dorf Sidasth. Es beginnt zu dämmern und wir haben noch keinen Übernachtungsplatz entdeckt, beziehungsweise geht uns ein schon passierter Aussichtspunkt nicht aus dem Kopf. Kurzerhand entscheiden wir uns, nun über den anderen Weg, dieses Mal über Teer, wieder zurück zum Aussichtspunkt zu fahren, wäre doch schade, wenn wir nicht in dieser Umgebung eine Nacht bleiben würden. Ich war zu erst unschlüssig, ob wir wirklich zurückfahren sollen, doch ich hätte eine unglaubliche Abendstimmung verpasst.
Stoppen auf der Schnellstrasse
Bei Tutkabon geht es wieder auf eine Schnellstrasse von den Bergen Richtung Küste, um dann etwas nach Rascht wieder in die bewaldeten Bergregionen abzuzweigen. Auf der Schnellstrasse werden wir heute zweimal rausgelotst. Das erste Mal sind es vier korpulente Frauen, welche schon längere Zeit neben uns auf der Schnellstrasse fahren. Da wir merken, dass ihnen ein Zuwinken und Lächeln während der Fahrt nicht ausreicht, geben wir uns geschlagen und stoppen am Seitenrand. Die vier Frauen umringen mich sofort, Flo scheint nicht wirklich von Interesse zu sein. Mit Farsi, Englisch, Händen und Füssen versuche ich ihre Fragen zu verstehen und zu beantworten und zeigen ihnen den Innenausbau, welchen sie mit viel Interesse anschauen. Besonders eine der vier Frau scheint grosse Freude an mir zu haben, denn sie lässt keine der anderen an meine Seite kommen. Als sie mich dann liebevoll aber doch fest in meine Wangen kneift, fühle ich mich ein bisschen wie ein junges Kücken in der Runde.
Nur wenige Minuten später fällt uns ein Auto mit einem jungen Paar auf. Schon eine Weile fährt es hinter uns her, bald fahren sie neben uns. Sie winken uns zu, fahren vor unserem Auto, werden langsamer und wir überholen. Sie winken wieder, fahren hinter uns und überholen uns – wieder winken. So geht dies eine Weile und wir wissen schon, dass dies wohl ähnlich verlaufen wird wie vorher. Prompt vor einer Ausfahrt fahren die beiden an die Seite. Wir könnten jetzt einfach weiterfahren, doch so wollen wir nicht sein, blinken und fahren zu den beiden hin. Sie sind ganz ausser sich uns zu sehen, können zwar kein Englisch aber Google Translate klappt heute erstaunlich gut. Die mehrmalige Einladung schlagen wir aber trotzdem aus und wünschen ihnen nach einem gemeinsamen Foto und dem Austausch der Nummern viel Erfolg bei ihren Wünschen und Ideen.
Rudkhan-Festung (Rudkhan Castle)
Eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten in der Gilan Region ist die Rudkhan Festung. Auf einem Kopfsteinpflasterweg geht es durch einen dschungelartigen Wald. Die Luftfeuchtigkeit ist hoch und so beginnen wir schon nach kurzer Zeit zu schwitzen. Doch nicht nur wir, denn hier sind wir nicht alleine. Unzählige Iranerinnen und Iraner machen sich auch auf den Auf- oder Abstieg, wir sehen aber keine anderen westlichen Touristen während unserer gesamten Anwesenheit hier. Unterwegs gibt es immer wieder die Möglichkeit, Getränke zu kaufen oder einen gemütlichen Waldplatz auszuwählen inklusive vorbereiteter Shisha. Wenn ich nicht gerade in einem Gespräch verwickelt bin, bestaune ich das satte Grün und bin immer wieder überrascht, wie anders diese Region wieder ist. Es wird mir einmal mehr bewusst, wie gross dieses Land eigentlich ist. Unsere Begegnungen hier reichen von kurzen „Hello, welcome in Iran“ bis hin zu längeren Unterhaltungen auf Englisch oder Deutsch. Am Meisten verblüfft mich heute jedoch die Bekanntschaft mit einem Mann und dessen Tochter. Die fünfjährige Tochter kann fliessend Englisch und Japanisch. Wie sie dies gelernt hat? Über Kinderserien, welche sie schaut.
Sowohl für den Auf- wie auch für den Abstieg benötigen wir je knapp eine Stunde. Für den Besuch der Burg bezahlen wir 100’000 Rial für den Parkplatz und 500’000 Rial pro Person für den Eintritt der Burg (insgesamt also 1’100’000 Rial, etwa 3.65 Euro).
Erst als wir den Parkplatz wieder verlassen, fallen uns die vielen Menschen mit Schildern am Strassenrad auf. Unser Reiseführer bietet die Erklärung: Auf diese Weise werden die freien Unterkünfte und Übernachtungsmöglichkeiten angepriesen. Diese Vorgehensweise beobachten wir an verschiedenen Orten in dieser Region. Nebst den Angeboten entdecken wir leider auch hier wieder unzählige Orte mit sehr viel Abfall. Obwohl die Iranerinnen und Iraner die Ausflüge in die Natur lieben und stolz und fasziniert vom vielen Grün in dieser Region erzählen, landet auch hier der Grossteil ihres Abfalls in der umschwärmten Natur.
Masouleh und Passstrasse von Khalkhal nach Asalem
Bald erreichen wir das Bergdorf Masouleh, ein Dorf am Nordabhang des Elberus Gebirges. Das Dorf ist terassenförmig aufgebaut, besteht aus vielen serpetinenartigen Gassen und die flachen Dächer dienen meist als Fusswege. Wir lassen uns durch die kleinen Gassen treiben, kosten die für hier bekannten Kekse in einer Bäckerei und schlürfen ein „Khakshir“ mit einem Paar aus Shiraz, die in ihren Flitterwochen unterwegs sind. „Khakshir“ besteht aus den winzigen Samen der Pflanze Wegrauke.
Heute geht es nicht wieder zurück nach Rasht, sondern wir fahren beim Dorf Masouleh weiter der schmalen Gebirgsstrasse entlang. Schnell sind wir nicht, denn die Strecke ist oft sehr uneben und wir kommen nur langsam voran. Nicht selten umhüllt uns der Nebel. Unser nächstes Ziel ist die bei den Iranerinnen und Iranern gelobte Passstrasse von Khalkhal nach Asalem.
Die Passstrasse von Khalkhal führt uns zu erst an idyllisch gelegenen Bergdörfern vorbei. Die flachen Häuser thronen in kleinen Ansammlung auf grünen Wiesen, umgeben von mit Bäumen bewachsenen Hügeln und Bergen. Die Stimmung wirkt mystisch, wenn die Sonne die kleinen Bergorte anscheint und sich mit den Wolken vermischt. Die Wetterprognose für die kommenden Tage sagt Regenschauer voraus und schon heute haben wir bald nur noch wenig Sicht.
Der zunehmende Nebel ist aber genau das, was viele Iranerinnen und Iraner an dieser Gegend nebst dem vielen Grün so besonders erleben. So ist es keine Überraschung, dass der darauffolgende Passabschnitt im nebelverhangenen Wald immer wieder von kleinen Imbissbuden mit Tee, Kebabspiessen, Shishas oder Maiskolben begleitet wird. Da wir gesagt haben, wir machen es wie die Leute aus dem Iran, die diesen Ort besuchen, stoppen auch wir und geniessen einen leckeren Maiskolben mitten im Nebel.
Fazit zur Region Gilan
Im Schnelldurchlauf haben wir uns durch die Region Gilan im Nordosten des Irans bewegt. Unsere Idee war, herauszufinden, warum viele Iranerinnen und Iraner uns von dieser Gegend erzählen und uns einen Besuch empfehlen, immer mit den Worten, es ist ganz anders. Natürlich sind die wenigen Tage hier zu wenig, die Region als Gesamtes zu erfassen und doch konnten wir einen Einblick erhalten.
Wir waren überrascht, welche klimatische und dadurch landschaftlich Veränderung die Bergkette des Elberus Gebirges mit sich gebracht hat. Es ist unglaublich grün und die vielen Reisfelder und Teeplantagen sind spannend – sowohl optisch wie auch auf den Alltag und Lebensraum der Menschen hier. Wir waren vorher in sehr trockenen und kargen Gegenden im Iran unterwegs und so waren wir überrascht, über die Luftfeuchtigkeit und die womöglich sehr fruchtbaren Böden in dieser Region. Wir hatten auch den Eindruck, dass die Menschen hier wieder ganz anders sind, doch die Zeit hat nicht ausgereicht, tiefer in die Kulturen und Traditionen in dieser Region einzutauchen.
Die nebelverhangenen Wälder und Berge erzeugen eine mystische Stimmung und wir können nachvollziehen, warum die Iranerinnen und Iraner diese Region auch für die beschriebenen Naturerlebnisse lieben und als Feriendestination wählen. Da wir aus der Schweiz sind und eine ganze Jahreszeit aus viel Nebel bestehen kann, löst Nebel gemischte Gefühle aus. Nebelverhangene Gegenden können sehr mystisch und schön wirken. Wird der Nebel aber dicht und/oder hält länger an, löst er bei mir eher etwas Tristes aus, da es für mich an folgendes Gefühl gekoppelt ist: „Oje, jetzt kommt eine lange Zeit mit viel Grau und Kälte“. Scheint jedoch die Sonne genossen wir die idyllischen Ausblicke in den Bergregionen, die Entdeckung der abgelegeneren Orte und die immer erlebnisreichen Begegnungen bei den touristisch bekannteren Destinationen.
Wir sind froh, haben wir die Tipps ernst genommen und so doch noch einen kleinen Einblick in eine nördliche Region des Irans erhalten, welche die Vielseitigkeit dieses grossen Landes aufzeigt.
Übernachtungsorte: 22.05. Umgebung Galangash / 23.05. Umgebung Masuleh