Datum: 05. März – 06. März 2022
Ohne Autoschlüssel geht es weiter
Ich kämpfe immer noch etwas gegen meinen Frust und die schlechte Laune an. Das ich meinen Schlüssel verlege, ist nichts Ungewöhnliches. Ich suche regelmässig irgendwelche Sachen, besonders mein Natel und meine Autoschlüssel. Doch dieses Mal ist er wirklich weg und was damit einhergehen wird, ist ein weiteres ToDo auf unsere Liste: Autoschlüssel nachmachen lassen, denn aktuell haben wir nun nur noch einen Einzigen. Vielleicht denken jetzt einige, so schlimm ist dieses ToDo nun auch wieder nicht, dass kann man doch überall machen lassen. Doch unser Alltag hat bis jetzt gezeigt, dass manchmal grosswirkende ToDos ganz schnell erledigt werden können und kleine sich plötzlich als mühselig und anstrengend herauskristallisieren. Doch jetzt heisst es, Ärger runter schlucken, und den Blick nach vorne.
Das Tanken klappt zu unserer Überraschung erstaunlich schnell. Der Tankwart hat keine Dieselkarte und als wir dort angekommen, ist weit und breit kein Laster zu sehen. Doch schon nach 10 Minuten kommt einer und der Fahrer tankt uns zum normalen Preis unseren Tank voll. Huff, los, weiter, denn wir haben realisiert, dass wir nun nicht pünktlich zum vereinbarten Treffpunkt eintreffen werden, hoffen die Verspätung aber in Grenzen halten zu können.
Um 09:10 Uhr erreichen wir den Kreisel von Parsian, Mohsen erwartet uns schon. Die Shirazier werden später folgen, sie benötigen noch etwas Zeit zum Aufwachen und in den Tag zu starten ;).
Wanderung zum Shou Tariku und Ab Dabbe
Es ist schön, mit Mohsen unterwegs zu sein. Er kennt sein Land sehr gut und nimmt uns sowohl landschaftlich wie kulturell auf spannende Reisen mit. Er hat aber auch ausserhalb vom Iran viel gesehen und kennt so Verschiedenes aus unterschiedlichen Kultur. Das zusammen unterwegs sein fühlt sich leicht, interessant und unkompliziert an.
Heute steht eine Wanderung zum Shou Tariku und Ab Dabbe an. Die Wanderung beträgt insgesamt etwa 10 Kilometer. Wir parkieren unser Mitsu und starten von folgendem Punkt aus: 27.159351, 53.204810. Es gibt auch die Möglichkeit, noch etwas näher dafür aber sonnenexponiert zu parkieren: 27.166156, 53.209614. Die Wanderzeit vom Startpunkt bis zum Shou Tariku beträgt bei uns 1h20, von Shou Tariku bis Ab Dabbe 20 Minuten und von Ab Dabbe bis zum Startpunkt zurück 1h30.
Shou Tariku
Unser erstes Ziel ist Shou Tariku oder auch Shotariku, persisch für „die Dunkelheit der Nacht“. Als wir die Wanderung starten, ist die Sonne schon wieder hoch am Himmel und ihre Strahlen haben unglaublich Kraft. Der Start durch das momentan ausgetrocknete Flussbett fühlt sich glühend an und wir sind alle drei froh, als bald die meterhohen Wände des canyonartigen Weges uns schützenden Schatten spenden.
Der Weg wird zunehmend schmaler bis wir durch Lücken von grossen Steinbrocken klettern. Plötzlich ist wie aus dem Nichts ein schmaler, schöner Weg vor uns und die Luft wird mit jedem Schritt kühler. Nur noch wenige Schritte und wir erreichen Shou Tariku. Was für ein Anblick: Türkises Wasser, frische und kühle Luft, durch Wasser geformte Steine, feines und regelmässiges Plätschern, bläuliche Libellen und kleine Fische. Dies hätte ich hier nie erwartet.
Einen kurzen Moment überlegen wir uns, noch etwas weiter dem Wasser zu folgen. Doch kaum habe ich meine Schuhe ausgezogen und entlang einem feinen Felsspalt weiter hoch klettere, entdeckt Flo einen Blutegel, was dazu führt, dass ich mit Schrecken sofort wieder zu meinen Schuhen zurückkehre.
Ab Dabbe
Wieder zurück bei der Kreuzung stossen wir auf den Rest der Gruppe. Sie haben mittlerweile gefrühstückt und sind bereit für den Tag. Alle freuen sich auf die Quelle, die gleich vor uns auftauchen soll: Ab Dabbe. Sie erhoffen sich, dass niemand da ist und für uns alle ein Bad möglich ist. Doch es sind schon drei Männer hier. Seit längerer Zeit habe ich mir Gedanken gemacht, welche Kleider ich hätte, die es ermöglichen würden, an solchen Orten ein Bad zu nehmen und gemeinsam mit Flo bin ich fündig geworden. Eine Leggins von mir und ein T-shirt von Flo, welches dadurch genügend lang ist, sollten passend sein und die habe ich heute auch mit.
Beh Deh
Schon von weitem sehen wir in der Nähe unseres Mitsu ein uns bekanntes Auto: Es ist der Van der argentischen Familie. Sie erwarten uns voller Freude und haben einen leckeren Snack aus frischem Gemüse und kühlen Getränken vorbereitet. Während wir gemütlich Essen, ist Mohsen fleissig am Telefonieren und Organisieren. Ein Herr aus dem Dorf Behdeh hat uns alle eingeladen, er ist ein Insta-Follower der Motorradfrau, und für uns eine Wanderung für den nächsten Tag organisiert. Den Ort kennen auch unsere iranischen Freunde nicht, weshalb alle neugierig sind, was uns da erwartet.
Unser Zuhause für zwei Nächte
Vor Ort werden wir von einer Familie empfangen (ich weiss nicht, wer die Familie ist, ich glaube die Nachbarn), welche uns das Tor in einen Garten öffnet. Dies ist unser neues Zuhause für die nächsten zwei Nächte. Der Garten ist mit viel grün überwachsen. Ich weiss nicht, was noch geplant ist im hinteren Bereich oder ob es einfach ein Grundstück ist, welches dann mal bei Bedarf genutzt werden kann. Im vorderen Bereich hat es links eine Toilette und einen Kaltwasseranschluss. In der rechten Ecke ist ein viereckiges kleines Betonhäuschen mit Teppichen am Boden als Schlafmöglichkeit für die ohne Vans und gleich davor eine kleine Betonterrasse mit Teppichen, welche auch gleich unser gemeinsamer Treffpunkt darstellt: Zum Beispiel zum Plaudern, für ein Nickerchen, zum Kochen und Essen.
Wanderung Beh Deh Absiah
Die heutige Wanderung startet um den Punkt 27.087945, 53.373231 und beträgt insgesamt etwa 7.5 Kilometer. Die Wanderzeit für den Hinweg beträgt bei uns 2h und für den Rückweg 1h20.
Mit zwei Fahrzeugen werden wir am nächsten Morgen um 07:00 Uhr an den Ausgangsort der Wanderung gebracht, zwei Männer und zwei Frauen begleiten uns. Für uns geht es über Stock und Stein, mal ist die Umgebung trocken und lehmfarbig, dann wieder etwas grüner bis über zu kleinen Quellen, welche mit grünen Pflanzen gesäumt sind. Am Schluss des Weges erwartet uns ein grosser natürlicher Pool. Der Schweiss läuft, es ist heiss, die Männer alle schon fleissig am Baden. Ich habe leider heute mein Badeoutfit nicht eingepackt am Morgen…
Auf dem Rückweg kommen wir an den blühenden Rucolafeldern vorbei. Ein Halt und wenige Minuten später ist nun das kleine fünfplätzer Auto nicht nur mit sieben Menschen sondern auch noch mit riesigen Bündeln frisch gepflücktem Rucola beladen. Mit iranischer Musik und passend rhytmischen Klatschen geht es zurück ins Dorf.
Abendausflug zum Baum im Nirgendwo
Zurück im Dorf heisst es Siesta und Eis für alle. Flo hat es geschafft, zum Laden ins Dorf zu spazieren, in Gespräche verwickelt zu werden und doch 16 Eis ungeschmolzen zu uns zu bringen, juhu!
Mit der Nachmittagsdämmerung brechen wir nochmals auf und lernen einen weiteren Ort in der Umgebung kennen. Der Name heisst übersetzt: Der Baum im Nirgendwo.
Und plötzlich geht alles schnell
Zurück im Ort beginnen Flo und ich einen riesigen Sack Tomaten zu schneiden und bekommen sofort Unterstützung von der argentinischen Familie. Heute wollen wir zusammen mit ihnen unsere Gruppe bekochen, als Dankeschön für die gemeinsamen Erlebnisse und Momente. Es dauert ewig, bis wir fertig sind, da unsere Kochutensilien nicht wirklich so ausgelegt sind, um für so viele Menschen zu kochen, doch die Anderen scheint dies nicht gross zu stören. Die Shirazier machen sich auf ins Dorf und kommen mit vollgefüllten Säcken zurück. Beim genaueren Hinschauen sehe ich, dass alles Zutaten für ein „Birchermüesli“ sind. Den beiden hat es so geschmeckt, dass sie gleich in grossen Mengen für diese Frühstücksart eingekauft haben.
Doch leider werden wir morgen nicht mehr daran teilnehmen. Denn während unserer Kochzeit hat sich unser Plan radikal verändert: Wollten wir eigentlich etwa in zwei bis drei Tagen wieder in Bandar Lengeh sein, um dann erneut die Verschiffung anzugehen und in einen halb bis zwei Wochen so vom Iran in die Vereinten Arabischen Emiraten reisen, geht nun alles viel schneller. Eine deutsche Familie, welche wir auf Qeshm kennengelernt haben, haben ergänzende Infos zur Verschiffung in Bandar Abbas herausgefunden. Diese Variante ist zwar teurer als die von Bandar Lengeh, wäre aber transparenter über den Ablauf beziehungsweises sicherer betreffend Ankunftszeit des Autos in den Vereinten Arabischen Emiraten. Wenn wir da gleich mitziehen wollen, würden wir übermorgen (Dienstag) das Auto verschiffen und am Mittwoch selbst auf die Passagierfähre gehen. Das heisst, wir müssten folgendes schaffen: Morgen nach Bandar Abbas fahren (Google Maps zeigt etwa fünf Stunden an, aber da kann man nie sicher sein), PCR-Test erledigen, noch am gleichen Tag das Resultat erhalten, wenn beide negativ sind, die Tickets für die Passagierfähre organisieren, Geld tauschen für die Verschiffungskosten, Einkäufe erledigen, und alles, an was wir noch nicht gedacht habe.
Wir sind etwas hin- und hergerissen. Wir haben uns innerlich darauf eingestellt, uns morgen gemütlich von allen zu verabschieden und dann in Ruhe alles vor Ort zu organisieren und vielleicht auch noch das Eine oder Andere zu erledigen, da es im Iran deutlich günstiger ist als auf der Arabischen Halbinsel. Wir wollten eine Hals über Kopf Situation vermeiden, doch den administrativen Marathon am Hafen von Bandar Abbas mit anderen Reisenden gemeinsam zu bewältigen klingt nach einer Möglichkeit, welche wir nutzen sollten.
Der Entscheid ist gefällt, wir versuchen es. Während wir in unserer Runde darüber erzählen, denken alle sofort mit und mir wird warm ums Herz: Was für eine tolle Truppe. Lange zögern alle das Aufstehen vom Teppich auf, denn dies würde bedeuten, Tschüss zu sagen. Doch irgendwann kommt auch heute Abend der Moment, wo erneut ein Abschied von Menschen ansteht, von welchen wir viele Erlebnisse, Bilder, Gespräche und Andenken mit in unseren Reiserucksack nehmen. Vielen, vielen Dank für Alles! Kheyli Mamnun (ausgesprochen „cheili mamnun“)! Khdahafez (ausgesprochen „chodahafes“).
Übernachtungsorte: 05.03. – 06.03. Umgebung Behdeh