Iran, Qeshm Insel 2

Datum: 19. Februar – 27. Februar 2022

Shoppingort Dargahan

Nach der Ankunft auf Qeshm fahren wir noch am Abend in die nächstgrössere Ortschaft namens Dargahan in der Hoffnung, hier Leinenhosen für Flo zu finden. Denn mittlerweile ist es bei uns heiss geworden und die Hitze hat noch nicht ihren Höhepunkt erreicht. Da auch in den Ländern auf der arabischen Halbinsel die islamischen Werte und Orientierungen zentral sind, sind weiterhin lange Hosen wichtig im Gepäck zu haben und die von Flo mitgenommenen Jeans und Trainerhose sind einfach zu heiss. Dargahan begrüsst uns mit gefühlt unendlich vielen Gebäuden, Stockwerken und Märkten – alles ausgelegt auf Shopping.

Unsere Suche bleibt erfolglos und wir sind beide nicht wirklich ausdauernd in Shoppingtouren. Müde ziehen wir uns in eine Pizzeria zurück und beschliessen, dass heute nicht der Moment ist, noch länger auf Leinenhosensuche zu gehen. Trotz Vorbesprechung mit den Mitarbeitenden klappt es das erste Mal nicht mit der Bestellung einer vegetarischen Pizza: Die gesamte Pizza ist mit Hackfleisch geschmückt. Die Nerven liegen heute Abend bei uns beiden blank und da die Mitarbeitenden nicht wirklich reagieren, dass nun doch Fleisch serviert wurde, gehe ich zahlen und gebe wortlos die Pizzen zurück. Eine ungewohnte Situation für unsere bisherigen Iran-Erlebnisse und ich bin froh, beim Falafel-Stand die gewohnte freundliche und sehr zuvorkommende Art des Mitarbeitenden anzutreffen.

Flo und ich sind beide müde, etwas gereizt, es besteht die Gefahr Streit zu bekommen. Was hilft jetzt? Eigentlich nicht viel ausser schlafen ;). Wir steuern den Stadtpark an und finden eine Lücke bei den Parkplätzen. Glück gehabt, denn fast alle sind besetzt. Nicht nur wir haben den Stadtpark als Übernachtungsort gewählt und so schmücken zahlreiche Zelte und Teppiche das Gelände. Unser Parkplatz ist direkt an der Strasse und neben uns gleich ein „Hubel“, so dass immer ein zusätzlicher Klang ertönt, wenn ein Auto an uns vorbei fährt. Bis spät in die Nacht ist Betrieb, sowohl im Park wie auf der Strasse. Doch wir haben heute nicht die Energie, einen anderen Schlafplatz zu suchen und finden irgendwann auch hier unseren Schlaf.

Guten Morgen – Covid 19 durchkreuzt unsere Pläne

Als ich aufwache, kann ich mich kaum bewegen. Ich werde von unglaublichen Kopfschmerzen geplagt, habe in der Nacht kalt geschwitzt und fühle mich überhaupt nicht fit. Der Selbsttest für Covid-19 gibt schnell Klarheit: Ich bin positiv auf Covid-19, bei Flo zeigt es negativ an. Diese morgendliche Neuigkeit müssen wir beide kurz verdauen, doch schon nach wenigen Minuten ist uns klar, was dies bedeutet: Als erstes müssen wir sofort Sarah und Sämi informieren, da wir gestern alle im gleichen Raum geschlafen haben. Auch klar ist, dass wir nun nicht nach Bandar Lengeh gehen und die Verschiffung organisieren, sondern uns neu orientieren müssen. Dafür wollen wir an den uns bekannten Platz an der Südwestküste auf Qeshm ansteuern, damit ich eine ruhige Umgebung zum Erholen habe und wir unsere nächsten Schritte überlegen können. Denn am 26. Februar 2022, also in neun Tagen, läuft unser Visa für den Iran aus. Sicherheitshalber erledigt Flo noch einige Einkäufe, damit die Essensvorräte aufgefüllt sind.

Einkaufen in Salakh

Bis jetzt sind Sarah und Sämi fit und munter, sie entschliessen sich jedoch unter den gegebenen Umständen das gebuchte Homestay zu verlassen und für eine Nacht auch nochmals an die Küste zu kommen. Einerseits falls mein oder Flo’s Gesundheitszustand sich plötzlich deutlich verschlechtern würde, andererseits um zu überlegen, was ihre nächsten Schritte sind. So sehen wir uns nochmals an dem schönen Stellplatz im Südwesten mit ungewohnt viel räumlicher Distanz. Am nächsten Tag geht es für die Beiden, nach wie vor fit und munter, Richtung Buschher. Kleiner Blick in die Zukunft: Sie bleiben beide gesund und haben sich nicht angesteckt.

Wiedersehen und Visa-Verlängerung in Bandar Abbas

Unsere Freunde aus Teheran und Kurdistan sind nach wie vor hier. In der Zwischenzeit haben sich weitere iranische Reisende dazugesellt. Mit Maske geschmückt geht Flo die Gruppe über meinen Gesundheitszustand informieren. Immer wieder erhalte ich kleine Snacks zur Stärkung und Wünsche, dass es mir bald wieder besser geht.

Am liebsten würden wir uns nun einfach einquartieren und warten, bis ich wieder fit bin, beobachten, ob Flo Symptome entwickelt und die Ansteckungsphase vorbeiziehen lassen, denn hier ist Ruhe, liebevolle Menschen und eine schöne Umgebung. Doch wir haben ein Problem: Unser Visa-Zeit reicht nicht aus und wir müssen nach Bandar Abbas für die Verlängerung. Da wir verhindern wollen, dass wir beide krank sind, wenn wir dies erledigen müssen, packen wir nach zwei Nächten zusammen und verlassen die Insel für eine Nacht. Flo übernimmt alles und zum Glück läuft die Visa Verlängerung in Bandar Abbas sehr geordnet und schnell. Nach nur einer Stunde haben wir unser verlängertes Visa in der Hand (500’000 Rial / Person, etwa EUR 1.80)

Nach einer ruhigen Nacht im kleinen Stadtpark Dabaghiyan geht es zurück auf die Insel Qeshm. Dieses Mal kostet uns die Überfahrt 1.7 Mio Rial (etwa EUR 5.65), also 50’000 Rial (etwa Eu 0.20) weniger als bei der ersten Überfahrt und es wird keine Gebühr für die Kopien und die Administration erhoben. Ansonsten verläuft alles so, wie wir es vom letzten Mal kennen.

Sandsturm und Kamele

24 Stunden sind vergangen und wir sind wieder zurück auf der Insel. Die Wetterprognose zeigt sehr starken Wind an, etwa 90 km/h. Die Umgebung ist in einem feinen gelb-grau gehüllt, die Sicht ist begrenzt. Auf der Strasse treffen wir auf Lheigh, eine Frau aus Amerika, welche im Zeitraum von sechs Monaten zu Fuss vom Süden in den Norden des Irans wandert. Auch sie ist froh, bald eine Ortschaft zu erreichen, der Wind ist stark und die Sandkörner in der Luft unangenehm.

Heute sind keine Menschen im Dorf Salakh unterwegs, die Türen geschlossen und über die Strasse fegen Sandkörner hinweg. Ein faszinierendes Schauspiel solange man geschützt im Auto sitzt. Auch bei unserer Ankunft am Stellplatz sind alle uns bekannten Autos noch da, jedoch niemand draussen, die Türen und Fenster gut verschlossen. Die einzigen Lebewesen, die heute trotz den Windböen und sandsturmartigen Wetterlage unterwegs sind, sind die Kamelherden.

Apropos Kamele: Fast täglich erhalten wir an unserem Stelllplatz im Südwesten von Qeshm Besuch von einer Herde Kamele. Man könnte denken, irgendwann gewöhnt man sich an den Anblick dieser Tiere, doch wir nicht. Und auch für alle anderen, welche mit uns Zeit hier verbringen, nicht. Egal, was wir gerade am machen sind, kaum sehen wir die Tiere näher kommen, springen wir auf, schauen fasziniert zu und zücken immer und immer wieder unsere Kameras. Während einige von uns sich ohne Scheu den Tieren nähen, gehöre ich doch eher zu den Angsthasen und halte mich gerne etwas im Hintergrund.

Durch den regelmässigen Besuch dieser Tiere fragen wir uns, ob es nun eigentlich Kamele oder Dromedare sind, oder was denn genau der Unterschied ist. Für alle, die wie wir uns nicht ganz im klaren darüber waren: Egal ob ein- oder zweihöckrig, es sind alles Kamele. Die Säugetierfamilie „Kamele“ lässt sich dann in zwei Gruppen unterteilen: Dromedare (einhöckrig) und Trampeltiere (zweihöckrig).

Freunde auf Reisen

Es geht mir zunehmend besser, trotzdem versuche ich Abstand zu den Anderen zu halten und wenn nötig eine Maske zu tragen. Was ich in dieser Zeit als sehr schön erlebe, ist der Umgang der Anderen damit. Wir alle achten auf die Distanz, mal mehr, mal weniger, und doch ist die Erkrankung nicht im Vordergrund. Es ist allen wichtig, wie ich mich fühle, aber mehr aus Interesse an mir, als das Angst im Raum ist. Flo’s Selbstteste zeigen nach wie vor negativ an, er hat bis jetzt keine Symptome.

Nebst den Bekanntschaften aus Teheran und Kurdistan gesellt sich ein weiteres iranisches Paar dazu. Die beiden leben nun seit acht Monaten in ihrem Van, welchen sie selbst ausgebaut haben. Für sie war beim Ausbau besonders herausfordernd, wie sie die vielen Umbauvideos anderer, für den eigenen Umbau mit den hier zur Verfügung stehenden Materialien nutzen können. Mit ihnen gesellen sich zwei Frauen mit Zelt dazu und ein Mann, welcher mit dem Motorrad unterwegs ist. Gleichzeitig hat sich eine weitere Bekanntschaft unserer Reise dazugesellt: Die argentinische Familie, welche wir in der Kavir Wüste gekreuzt haben.

Durch das erneute Wiedersehen dieser verschiedenen Menschen verwandeln sich einige dieser Bekanntschaften zu Freundschaften. Die Gespräche werden tiefer und persönlicher. Die Fragen direkter und die Inhalte breiter. Die Momente sind persönlicher und das Geteilte entsteht durch das gegenseitige entstandene Vertrauen. Es entstehen viele schöne Bilder aus dieser Zeit, werden jedoch aus Datenschutzgründen hier nicht veröffentlicht.

Erneut kommen wir in den Genuss des Meeres, intensivieren unsere Yoga-Sessions und tauschen Gerichte aus. Dadurch, dass dieses Mal die Mehrheit der Gruppe aus dem Iran ist, lernen wir noch mehr über die iranischen Kultur. Beziehungsweise würde ich dieses Mal behaupten, dass wir nicht nur uns kulturell weiter vertiefen, sondern gewisse Sachen des Alltags selbst anwenden und somit auf eine andere Weise gelernt haben. Unser Verständnis zur Sprache Farsi entwickelt sich weiter. Zwar ist es nach wie vor schwierig, sich neue Wörter zu merken, doch wir erkennen zunehmend die einzelnen Wörter, wenn Gespräche geführt werden. Vorher klangen für mich oftmals mehrere Wörter wie ein einzelnes Wort. Wir können beobachten, wie der Taroof im Alltag funktioniert, lernen weitere ungeschriebene Umgangsformen kennen, erhalten eine kurze Einführung in die Dichterkunst Irans und hören uns Lieder aus den verschiedenen Regionen an.

Irgendwann sind neun Tage vergangen und wir ziehen weiter. Nicht nur für uns heisst es Abschied nehmen. Heute werden alle früher oder später den Platz an der Küste verlassen und jeder wird seinen Weg gehen. Unsere Freunde aus Teheran und Kurdistan sind schon gestern losgezogen. Die Abschiede fallen dieses Mal allen nicht leicht. Man hofft, sich irgendwo irgendwann wieder zu sehen, doch ob es eintrifft, weiss man bei sich entwickelnden Freundschaft auf Reisen nicht wirklich. Bei diesen Begegnungen ist immer die Frage: Ist es eine Begegnung, die in diesem Moment ist und so in Erinnerung bleibt? Gibt es ein Wiedersehen und wird es auf dieser Reise sein? Bleibt der Kontakt bestehen oder war es mehr eine Momentaufnahme? … Auch heute rollen einige Tränen über mein Gesicht während unserer Fahrt: Freude über die schönen Momente und Begegnungen, die mich bereichern und ich für immer in meinem Herz trage, Trauer über die vielen kleinen und grösseren Abschiede, die auch zu unserem Reisealltag dazugehören.

Laft

Die Emotionen sind im Vordergrund und so kommt die Ortschaft Laft gerade richtig. Laft ist umgeben von Mangrovenwäldern und das Ortsbild wird von den vielen Windtürmen geprägt. Als wir von Bandar Abbas nach Qeshm zurückkamen, hat dieser Ort schon unser Interesse geweckt, doch ich war zu diesem Zeitpunkt noch sehr angeschlagen. Doch heute ist der Tag, nochmals kurz zu stoppen. Durch Zufall treffen wir auf Mohsen, der Mann mit dem Motorrad. Gemeinsam geht es auf Besichtigungstour.

Während Flo und ich den Mitsu abfahrtbereit machen, spricht uns eine junge Frau an. Als sie hört, von wo wir sind, wie wir in den Iran gereist sind und wie wir aktuell leben, ist sie ganz aus dem Häusschen. Ihre Freude ist riesig und wir nehmen die Einladung auf einen Thé an. Sie zeigt uns voller Stolz, dass von ihr und ihrem Mann vor einer Woche fertiggestellte Guesthouse mit drei zu vermieteten Zimmern. Der Innenhof lädt zum Verweilen ein und ich entdecke eine Vielzahl an kleinen kreativen Details in der Gestaltung. Ich drücke den beiden die Daumen! Beim Abschied übergibt der Mann Flo schöne farbige Wimpel als Geschenk für unsere weitere Reise.

Übernachtung neben den Schmugglern

Gemeinsam mit Mohsen geht es nun im Dunkeln auf Stellplatzsuche. Eigentlich wollen wir den uns schon bekannten Platz in der Nähe des Hafens anfahren, aber irgendwie finden wir den Weg dorthin nicht mehr und kreuzen eine Gruppe junger Männer. Wären Flo und ich alleine, wäre ich wohl unsicher gewesen, was sie genau von uns wollen und was sie uns sagen. Nun kann Mohsen uns aber alles übersetzen. Es ist eine Gruppe Schmuggler. Sie haben angeboten, dass wir gleich beim Platz bei ihnen übernachten können, sie hätten auch noch Matten und Decken, wenn wir etwas benötigen. Wenn wir noch etwas weiter wollen, erklären sie uns einen Weg, wo man gut übernachten kann, ohne viel von den nächtlichen Aktivitäten zu hören.

Wir fahren diesen Ort an und finden einen gemütlichen Platz für die Nacht. Während ich müde ins Bett liege und nur noch weit entfernt das Tuckern der Boote wahrnehme, denke ich: Reisen überrascht mich immer wieder. Hätte ich vor ein paar Monaten gedacht, dass mal Schmuggler uns einen geeigneten Schlafplatz empfehlen und ich dann mit einem entspannten Gefühl einschlafen werde?

Übernachtungsorte: 17.02 Dargahan / 18.02. – 19.02. Umgebung Südwestküste von Qeshm / 20.02. Umgebung Bandar Abbas / 21.02. – 26.02. Umgebung Südwestküste von Qeshm / 27.02. Umgebung Laft

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