Datum: 16. Februar 2022
Ohne Mitsu von der einen Insel auf die NĂ€chste
Es ist 05:15 Uhr, unser Wecker klingelt. Um 08:00 Uhr fĂ€hrt unsere FĂ€hre von Qeshm Stadt zur umschwĂ€rmten Insel Hormoz. GemĂ€ss Wikipedia lebten wĂ€hrend der Herrschaft der Portugiesen 40’000 Menschen auf der Insel. Die Stadt Hormus war eine der wichtigsten HandelsplĂ€tze am Arabischen Meer und eine der reichsten HandelsstĂ€dte der Welt. Heute leben noch etwa 6’000 Menschen auf der 42 Quadratkilometer grossen Insel.
Ein bisschen ungewohnt fĂŒhlt es sich an, dass wir unseren Mitsu fĂŒr eine Nacht, vielleicht sogar fĂŒr zwei NĂ€chte, auf einem Parkplatz stehen lassen und ohne ihn auf Entdeckungsreise gehen. Der Parkplatz liegt direkt beim HafengelĂ€nde (500’000 Rial / Nacht, etwa 1.70 Euro), ist bewacht und im Iran haben wir noch nie Angst um unser Auto gehabt, trotzdem, ein etwas mulmiges GefĂŒhl bleibt.
Um 06:00 Uhr holen SĂ€mi und Flo die Tickets am Schalter ab (Hin und zurĂŒck 2.5 Mio. Rial pro Person, etwa 8.35 Euro). Wir begeben uns in die Eingangshalle, Flo und ich entschliessen uns, ein Kaffee to go fĂŒr uns vier zu holen. Und dann, gerade als wir die Bestellung aufgegeben haben, formt sich aus den vielen wartenden Menschen innert kĂŒrzester Zeit eine lange Schlange. Es sind Feiertage und wir scheinen nicht die Einzigen zu sein, die Insel besuchen wollen. Es wird ein Schiff um das andere gefĂŒllt und nach etwa 50 Minuten legen wir in Hormus Stadt an.
Unser TukTuk-Disaster
Seit Beginn unserer Reise im Iran hören wir von den farbigen StrÀnden und Felsformationen dieser Insel. Ich bin gespannt und freue mich, gemeinsam mit Sarah, SÀmi und Flo, an zwei Tagen die Insel zu entdecken. Doch unser Besuch verlÀuft etwas anders als geplant.
Die Ăbernachtung
Alles startet gut und einfach. Bei unserer Ankunft sind wir nicht ganz sicher, ob die Unterkunftsreservation wirklich geklappt hat, da es sprachlich herausfordernd war, sich zu verstĂ€ndigen. Zwar hat die Besitzerin des Garomzangi Sharaf Hostel gleich auf meine Anfrage per WhatsApp mit einem Videoanruf reagiert, doch wir konnten uns sprachlich nicht verstĂ€ndigen, da ich kein Farsi spreche und sie kaum Englisch. Mit Google translate schrieb ich ihr auf Farsi. Die Ăbersetzungen ins Farsi und zurĂŒck sind oft ungenau, weshalb es immer eine Interpretation der Ăbersetzung braucht – auf beiden Seiten. Dass da MissverstĂ€ndnisse oder Fehlinterpretationen entstehen können, liegt auf der Hand. Doch es hat alles geklappt und ein simples und schönes kleines „RundhĂ€uschen“ mit ausrollbaren Matten und Wolldecken zum Schlafen steht fĂŒr uns im Innenhof bereit (1.5 Mio. Rial / Person / Nacht, etwa 5 Euro).
Die Fortbewegung
Frisch geduscht und bereit, die Insel zu erkunden, geht es fĂŒr uns auf zu den TukTuk’s. GemĂ€ss der Hostelbesitzerin kostet normalerweise eine Stunde etwa 8o0’000 Rial (etwa 2.65 Euro). Wir haben uns einen Plan geschmiedet. Gerne wĂŒrden wir bis zum Rainbow Valley mit dem TukTuk unterwegs sein und dann unseren Weg bis zum Red Beach zu Fuss weiterzufĂŒhren. Dort wollen wir bis zur Dunkelheit bleiben und mit dem TukTuk zurĂŒck. Am nĂ€chsten Tag denken wir an, den östlichen Teil der Insel erkunden.
Schnell zeigt sich jedoch, dass die TukTuk-Fahrenden nicht wirklich interessiert sind, unsere individuellen Ideen zu verwirklichen, sondern einfach eine Rundfahrt anbieten: FĂŒr vier Stunden geht es um die Insel mit verschiedenen Stopps. FĂŒr uns nennen sie den Preis von umgerechnet 25 Euro. Nach lĂ€ngerer Suche finden wir einen netten Herrn, der auf unsere individuellen WĂŒnsche eingeht. Wir vereinbaren 1.5 Mio. Rial pro Stunde (etwa 5 Euro). Der heutige Tag funktioniert super und wir können unseren Plan umsetzen. Leider finden wir am Tag darauf niemanden mehr fĂŒr die individuelle Anfrage. Uns nervt das Ganze, sprechen aber trotzdem noch den einen oder anderen vorbeifahrenden TukTuk-Fahrer an, jedoch ohne Erfolg. So beschliessen wir, die angedachten Erkundungen fallen zu lassen, keine ĂŒberrissenen Preise zu bezahlen und unsere kurze Zeit auf Hormoz bei Falafel, Kaffee und Milchshake ausklingen zu lassen.
FĂŒr uns alle vier hat diese Erfahrung den Besuch auf der Insel etwas getrĂŒbt und uns zum Entscheid gebracht, nicht noch eine weitere Nacht zu bleiben. Ich kann mir aber gut vorstellen (oder ich hoffe es zumindest), dass in der Nebensaison diese Preisvorstellungen und „Pauschalfahrten“ nicht in diesem Ausmass vorhanden sind, wie wir es erlebt haben. Ăbrigens ergeht es nicht nur uns so, auch Iraner berichten von ĂŒbertriebenen Preisen und harten Verhandlungen.
Doch nun wird es Zeit, trotz der beschriebenen Erfahrung einen Blick auf unsere Entdeckungen und Beobachtungen auf dieser Insel zu werfen.
Farbenspiel und Festivalstimmung
Schon bei der Ankunft auf der Insel fĂ€llt uns die ausgelassene Stimmung und die farbenfrohe Kleidung bei den Besuchenden auf. Die KleidungsstĂŒcke sind leger, die Sonnenbrillen gross und die Kopfbedeckung anders ausgelegt. Entlang der Fusswege zu den SehenswĂŒrdigkeiten gibt es immer wieder mal die Möglichkeit, selbstgeknĂŒpfte ArmbĂ€nder zu kaufen und den stimmungsvollen KlĂ€ngen von Klangschalen zu lauschen. Die Besuchenden wirken aufgestellt und ausgelassen. Irgendwie erinnert mich die AtmosphĂ€re ein wenig an die Stimmung an Festivals zu Hause.
Salt Goddess
Unser erster Stopp sind ist die Salt Goddess: Die verschiedenen Formationen und Farben dieser Salzgegend sind faszinierend.
Doch viel Zeit zum Anschauen bleibt uns nicht, denn es geht nur wenige Minuten bis die iranischen Touristen erkennen, dass da gerade vier EuropĂ€er eingetroffen sind. Innert wenigen Minuten bin ich von einer etwa 15-köpfigen Frauengruppe umringt, werde gefragt, von wo ich komme, wie mir der Iran gefĂ€llt, welche StĂ€dte ich besucht habe, welche Orte ich noch besuchen werde und was die Menschen in meinem Herkunftsland ĂŒber die Menschen im Iran denken. Nicht fehlen dĂŒrfen dazwischen die gemeinsamen Fotoshootings. Die Frauen sind gemeinsam mit einem Guide hier, sie sind alle aus Shiraz. Ich sei jederzeit willkommen und erhalte eine Stecknadel mit einem aus Filz geformten Schnurrbart geschenkt, welche das Symbol der Tourgruppe ist.
Rainbow Valley
Im Rainbow Valley mixt sich eine weitere Farbe in die Umgebung, ein starkes Gelb im „Flussbett“. Ob dies Schwefel ist?
Auch hier lernen wir sofort eine Gruppe iranischer Touristen kennen, welche ihr verlÀngertes Wochenende auf der Insel verbringt. Es ist ein kurzer Schwatz inklusive gemeinsamen Fotoshooting. Flo verzichtet dieses Mal darauf und beobachtet das Geschehen von Weitem.
Von hier wollen wir zu Fuss an den „Hippi-Strand“. Wir finden jedoch nicht auf Anhieb den Fussweg dorthin und da wir zum Sonnenuntergang gerne beim Red Beach sein wollen, brechen wir das Ganze schnell ab und spazieren der Teerstrasse entlang zur nĂ€chsten SehenswĂŒrdigkeit. Immer wieder fahren TukTuks mit Gruppen von Menschen an uns vorbei, meist klatschend und / oder singend.
The Valley of the Statues
Schwitzend erreichen wir den breiten Fussweg zum Valley of the Statues. Den Namen hat dieser Ort von seinen Felsformationen erhalten, in welchen man Tiersilhouetten entdecken kann. Mir selbst fehlt da oft etwas die Geduld oder Fantasie, Flo macht mich jedoch zuverlĂ€ssig darauf aufmerksam. Unser Fussweg fĂŒhrt uns durch einen engen Durchgang zwischen den FelswĂ€nden. Es entsteht ein kleiner Stau, doch schnell erreichen wir den Klippenrand. Und da muss ich sagen: Wow. Vor mir geht es steil eine Klippenwand runter und mein Blick erstreckt sich ĂŒber eine Felswand, welche unten mit einem Strand geschmĂŒckt ist. Ich glaube, dass dieser Strand nur bei Ebbe sichtbar ist, bin mir jedoch nicht sicher.
Wir vier wollen noch einen etwas besseren Blick und klettern höher. Mit Vorsicht geht es Schritt fĂŒr Schritt dem Felsgrat entlang, der Boden ist nicht wirklich fest und einen rollenden Stein wĂ€re nicht ungefĂ€hrlich aufgrund der vielen Menschen beim „Aussichtspunkt“. Oben angekommen geniesse ich den Blick auf die KĂŒste. Flo und SĂ€mi haben mittlerweile den Feldstecher ausgepackt, da Flo Haifische entdeckt hat, die nun die volle Aufmerksamkeit von Flo, SĂ€mi und Sarah auf sich ziehen.
Red Beach
Vorbei an den wartenden TukTuks auf ihre GĂ€stegruppen gehen wir zu Fuss weiter. Ich bin schon voller Freude, den unser nĂ€chster Stopp ist der berĂŒhmte Red Beach. Ich habe Bilder von diesem Strand gesehen, auf welchen jeweils der Meerstreifen in UfernĂ€he rot eingefĂ€rbt ist. Kurz bevor wir auf den Strand sehen, verĂ€ndert sich der Untergrund und unsere Schuhsohlen fĂ€rben sich zunehmend rötlich ein. Sarah erzĂ€hlt, dass aus dem roten Material Lippenstift gemacht wurde, es heute aber nicht mehr erlaubt sei, weiter Material abzubauen.
Da der Red Beach einer der Hauptattraktionen ist, ĂŒberrascht es mich nicht, viele Menschen anzutreffen, die wie wir die Abendstimmung hier erleben wollen. Denn dieser Strand hat auch bei Dunkelheit eine Ăberraschung bereit – dazu spĂ€ter.
Ăber einen knallroten Platz mit diversen SouvenirstĂ€nden schlĂ€ngeln wir uns zu einem Imbissstand und decken uns mit Falafel zum Nachtessen ein. Von hier erblicke ich den Strand: Doch das Meer ist nicht rot, jedenfalls nicht, wie ich es auf den Bilder gesehen habe. Einen Moment wĂŒnsche ich mir, diesen Anblick auf die farbige Umgebung fĂŒr uns vier haben zu können, den dann wĂ€re es wohl trotz „normalem“ Meer verzaubernd.
Gleichzeitig bin ich weiterhin fasziniert, diese zufriedene und lockere Stimmung unter den Menschen zu beobachten, die gemeinsam mit uns zuschauen, wie der Tag zu Ende geht und die Sonne im Meer versinkt.
Wir warten, wie viele andere. Als es dann dunkel ist, sieht man die ersten Lichtpunkte von Taschenlampen oder Natels auftauchen. Auch wir starten mit diesem Experiment: Licht an, auf den dunklen Sand gerichtet und siehe da, es beginnt ĂŒberall zu glitzern.
Und noch ein Glitzer-Strand
Wir rufen unseren TukTuk-Fahrer an, welcher uns zuverlĂ€ssig und aufgestellt abholt. Trotz Dunkelheit erzĂ€hlt er uns ĂŒber die umliegenden SehenswĂŒrdigkeiten (zum Beispiel Salt Cave und Turtles Beach). FĂŒr uns bleiben diese SehenswĂŒrdigkeiten ErzĂ€hlungen, da wir am nĂ€chsten Tag keinen Ausflug mehr machen. Spontan stoppen wir an einem weiteren Strand östlich der Stadt Hormus, welcher auch dunklen Sand besitzt und somit den Glitzerzauber bei Nacht zeigt. Hier hat es nur wenige Menschen, doch die Stimmung gefĂ€llt mir. HĂ€tte ich ein Zelt dabei, wĂŒrde ich dies hier sofort aufschlagen.
Es wird Zeit, TschĂŒss zu sagen
Nach nur knapp 30 Stunden sagen wir der Insel Hormoz TschĂŒss (FĂ€hre 15:00 Uhr ab Hormoz). Es war ein kurzer Aufenthalt mit enttĂ€uschenden und verzaubernden Erlebnissen. Es ist in Ordnung so, denn das, was uns wohl verzaubern wĂŒrde, wĂŒrde wir wohl eher in der Nebensaison finden, mit Zeit, mit Zelt im GepĂ€ck und optimalerweise wohl FahrrĂ€dern.
Gleichzeitig rĂŒckt ein weiterer Abschied sehr schnell sehr nahe. In Albanien in Tirana haben wir anfangs Oktober 2021 unsere Freunde SĂ€mi und Sarah das erste Mal getroffen. Seit diesem Zusammentreffend sind ĂŒber vier Monate vergangen, es ist Mitte Februar 2022. Immer wieder haben wir Momente der Reise geteilt und zusammen erlebt, und uns dann wieder verabschiedet, fĂŒr die individuellen Entdeckungen – immer aber mit dem Wissen, dass unsere Wege sich ziemlich sicher wieder kreuzen werden, da bis anhin unsere ReiseplĂ€ne in der Grobrichtung Ă€hnlich gewesen sind.
Doch heute wird es anders sein: Sarah, SĂ€mi und ein noch kleines aber zunehmend wachsendes Menschlein werden ab Morgen langsam aber sicher den Weg Richtung Norden einschlagen. Flo und ich hingegen starten mit der Umsetzung der Verschiffung weiter sĂŒdlich auf die arabische Halbinsel. Vielleicht sehen wir uns nochmals in Bandar Lengeh, mit grosser Wahrscheinlichkeit wird es jedoch ein Abschied fĂŒr lĂ€ngere Zeit sein. Eine Umarmung am Hafen von Qeshm und dann fahren die beiden farbigen Fahrzeuge, eines blau, das andere rot, in unterschiedliche Richtungen davon. Mir rollen bei der Wegfahrt still TrĂ€nen ĂŒber das Gesicht: Vielen Dank fĂŒr die vielen gemeinsamen Erlebnissen, die vielseitigen GesprĂ€che, das Durchhalten von strengen Momenten und die unvergesslichen Situationen. Wir wĂŒnschen euch dreien alles Gute und freuen uns, euch in der Schweiz wieder zu sehen! Schön gits öi!
Ăbernachtungsort: 16.02. Garomzangi Sharaf Hostel