Iran, Yazd

Datum: 21. Januar – 24. Januar 2022

Erschöpft aber da

Die gerade Strasse führt uns immer näher an die Wüstenstadt Yazd. Trotz der späten Abfahrt durch unseren gelierten Diesel in den Bergen wollen wir heute den Stadtrand erreichen, um gleich morgen die Visa-Verlängerung zu beantragen.

Es wird dunkel, ich fahre in die äussersten Kreise der Stadt ein und der bis anhin noch passable Fahrstil der anderen Verkehrsteilnehmenden verändert sich in ein schnelllebiges, jede Lücke nutzendes und forderndes Abenteuer.

Voller Konzentration lenke ich den Mitsu vorbei an mehreren Verkaufsläden mit Vasen, brutzelnden Grillimbissbuden und kleinen Allerleigeschäften weiter dem Stadtrand entlang. Wir parkieren vor einem 5-Sterne-Hotel und spazieren in die grosse Empfangshalle. Denn noch auf dem Weg bemerkten wir, dass unseren restlichen Rials nicht ausreichen für die Visa-Gebühren und wir wollen, wenn möglich, noch nicht in die Innenstadt fahren. Die beiden Herren an der Rezeption begrüssen uns herzlich und zum aktuellen Kurs wechseln sie uns Dollar. Spontan beschliessen wir, uns hier ein Kaffee zu leisten (für beide Kaffees bezahlen wir 1 Mio. Rial, etwa 3.25 Euro) und verschicken bei der Gelegenheit gerade noch rechtzeitig eine Videobotschaft zu einem 30. Geburtstag in die Schweiz.

Reibungslos finden wir bei nächtlicher Stunde Joghurt und weitere Frühstückszutaten, unser angedachter Übernachtungsplatz ist jedoch leider im Umbau. Beide erschöpft und müde sitzen wir im Van, unmotiviert eine Lösung zu suchen. Wir raffen uns aber auf, finden in der Nähe einen kleinen Park, geniessen eine Pizza, machen ein Fotoshooting mit den Mitarbeitenden, ein weiteres folgt am Strassenrand und dann versinken wir um 23:00 Uhr in einen tiefen Schlaf, während um uns herum das Leben noch voll im Gange ist.

Visa Verlängerung

Es ist 08:00 Uhr und wir sind im Kopiershop gleich um die Ecke der Visa-Behörde. Die Mitarbeiterin kennt das Prozedere sehr gut, weiss von was es wie viele Kopien braucht, während wir das Formular mit den nötigen Angaben ausfüllen. Für mich geht es neben an noch kurz zum Fotografen für neue Passfotos mit der passenden Kopfbedeckungen. Dann alle Dokumente fein säuberlich in eine pinke Mappe und schon ist alles bereit. Kostenpunkt: Kopien 200 000 IRR (etwa 0.65 EUR), Fotos 700 000 IRR (etwa 2.30 EUR).

Im Visa-Büro geht es zu einer Tür neben den Schaltern, warten, Mappen abgeben, warten, Aufschreiben von unserem Autonummer, warten, kurze Info zur grob angedachten Route, warten, witzeln mit den Beamten, warten, Fragen wie „wie gefällt es euch im Iran?“ den Beamten beantworten, warten. Nach etwa zwei Stunden kommt die Rückmeldung: Wir erhalten den beantragten Monat und wir können das Visa in zwei Tagen abholen. Bezahlen kann man nur mit Karte (500 000 IRR pro Person, etwa 1.70 EUR). Da wir keine besitzen, schnappt sich der Beamte den aktuellen Kunden am Schalter und forder ihn auf, den Betrag zu bezahlen und wir geben im das Bargeld.

Die Wüstenstadt Yazd

Yazd, die grösste Wüstenstadt Irans, wurde an einer Oase zwischen den beiden Wüsten Dascht-e Kawir und Dascht-e Lut gegründet. Die Altstadt mit ihren Lehm- und Rohziegelbauten wurde 2017 zum Weltkulturerbe erklärt.

Unser erster Spaziergang unternehmen wir etwa zwischen 14:00 und 15:00 Uhr. Die Strassen sind leer, die Geschäfte zu. Die Siesta scheint gestartet zu haben. In den überdachten Gassen ist die Luft kühl, manchmal fast kalt – der Schutz vor der Sonne durch die Bauweise muss im Sommer Gold wert sein.

Wir stoppen vor dem Silk Road Hotel, ein kleiner Parkplatz zentral in der Altstadt, welcher von vielen Overlanders als Übernachtungsort angesteuert wird. Es war auch für uns eine Option, doch wir haben uns für eine Unterkunft entschieden, um so einen anderen Einblick zu erhalten, ein iranisches Frühstück zu geniessen, zu duschen und Wäsche zu waschen. Seit wir das Hörbuch „Coachsurfing in Iran“ hören, weiss ich nicht genau, was ich über das Silk Road Hotel halten soll. Kleine Randbemerkung: Ein wirklich tolles Hörbuch, wir sind gerade mitten drin und können jeweils fast nicht aufhören, besonders weil wir selbst in diesem Land unterwegs sind und so viele kleine Dinge an unseren Alltag erinnern, aber auch ganz andere Erlebnisse beschrieben werden.

Auf dem Parkplatz treffen wir auf zwei Reisende aus Deutschland. Ihr Ziel ist es, auf dem Landweg in die Mongolei zu reisen. Schon seit einigen Wochen sind wir digital in Kontakt. Durch eine andere Bekanntschaft haben wir uns in einer Whatsapp-Gruppe „kennengelernt“ und nun wollen wir die Menschen hinter den Nachrichten kennenlernen. Gemeinsam geht es auf eine der vielen Dachterrassen mit Blick über den Stadtkern.

Badgir – die natürliche Klimaanlage

Egal wo wir hinschauen, schmücken die sogenannten Windtürme, die Badgirs, das Stadtbild. Ich versuche, die jahrhundertalte Methode in wenigen Sätzen vereinfacht zu erklären: Der massiv gebaute Turm reicht von den untersten Räumen bis über das Dach hinaus und wirkt als natürliche Lüftung von Gebäuden. Der Turm ist in vertikale Lüftungsräume unterteilt, die oben in alle vier Himmelsrichtungen geöffnet sind.

Das Wasserbassin im Innenhof des Gebäudes erhöht die Luftfeuchtigkeit, welche sich in den untersten Räumen am Lehm absetzt und so gespeichert wird. Bei Erhöhung der Tagestemperatur entsteht folgender Effekt: Das Wasser wird abgegeben und es entsteht die Verdunstungskälte. Durch die Winde am Badgir entsteht der notwendige Unterdruck. Die warmen Luftschichten werden aus dem Gebäude gesaugt und die abgekühlte Luft von unten zieht nach. Die Räume werden klimatisiert.

Die vielen Qanats, unterirdische Wasserleitungen, sollen in der Vergangenheit nicht nur als Wasserversorgung gedient haben, sondern wurden in das beschriebene System integriert und haben so die Effizienz dieser natürlichen Klimaanlage gesteigert.

Den höchsten aus Lehmziegeln gebaute Windfäger steht im Dowlat Abad Garten in Yazd (1 Mio. IRR pro Person, etwa 3.30 EUR).

Seide und Brokat

Während wir zu viert der Sonne zu schauen, wie sie langsam am Horizont verschwindet, tauschen wir Reisegeschichten aus und realisieren, dass die beiden in den letzten Tagen an einem ihrem Übernachtgungsplätze Sämi und Sarah kennengelernt haben :). Es ist eine Freude mit den beiden. Da es auf Gegenseitigkeit zu beruhen scheint, geht die Entdeckungstour gemeinsam weiter. Nach nur wenigen Metern locken uns die schönen Farben der Seidenstoffe in ein Geschäft. Yazd ist bekannt für ihre Seiden- und Brokatstoffe. Was für eine Farbenpracht.

Flo und ich kommen mit der aufgestellten Dame ins Gespräch und die Hoffnung wächst in uns, den gekauften Stoff aus der Türkei nun in Sitzbezüge für unseren „Mitsu“ verwandeln zu lassen. Zu erst sieht es gut aus, die Dame selbst näht Bezüge und ist interessiert an unserer Anfrage. Doch leider ist auch hier nur das Nähen der Standartgrössen von Kissen möglich und so muss der schöne Stoff weiterhin unter unserem Bett verharren statt unsere „Sitzbank“ zu schmücken.

Gas

Gemeinsam geht es noch etwas weiter, Flo und ich werden fündig und finden eine kleine Gasflasche für unseren Drehgaskocher (250gr für 1 Mio. IRR, etwa 3.30 EUR) – ein Utensil, welches sich wohl durch Zufall in den Gasladen verirrt hat. Die Käufer um uns herum staunen über den Preis, denn ansonsten ist Gas im Iran sehr kostengünstig. Die Gasflasche mit dem Drehverschluss wie wir benötigen gehört hier zur exklusiveren Outdoorausstattung (kleine Info aus der Zukunft: Wir finden weiterhin in den Jagdshops diese kleine Flaschen, jeweils für 1.1 bis 1.3 Mio. IRR).

Langsam aber sicher sind wir alle vier müde. Wir verabschieden uns und freuen uns über eine weitere schöne Bekanntschaft auf dieser Reise.

Übernachtung

Ich habe nach wie vor Kopfschmerzen und im unteren Rückenbereich plagen mich seit einigen Tagen Schmerzen. Es ist wohl Zeit, sich etwas Ruhe und Erholung zu gönnen. Nach dem wohl günstigsten Falafel-Sandwich meines Lebens (90 000 IRR, etwa 0.30 EUR) ziehen wir uns ins Zimmer zurück in unserer Unterkunft „RestUp Hostel“ (18 EUR/Nacht für ein Doppelzimmer mit geteiltem Bad inklusive Frühstück).

Mohsen, ein aufgestellter und sehr hilfsbereiter Mann, schafft es dann doch, uns noch ans Feuer im Innenhof zu locken. Bei Tee, leckerem Kuchen und gemeinsam mit seinen Freunden lassen wir den Abend für uns ausklingen. Mohsen ist froh um Gäste, Corona habe eine ewig dauernde Leere in der Unterkunft bedeutet. Aktuell arbeitet der Vater von drei Kindern jeweils noch als Taxifahrer.

Jeden Morgen erhalten wir hier ein leckeres iranisches Frühstück bestehend aus Fladenbrot, Marmelade, Butter, Tomaten, Gurken, Kajmak, Tahini und Tee. An einem dieser Frühstücks lernen wir einen weiteren Gast kennen: Boris aus der Türkei. Es ist seine erste Reise ausserhalb der Türkei und er möchte in Zukunft die Welt bereisen.

Eindrücke der Stadt

Gemeinsam geht es nochmals auf einen Entdeckungsrundgang: Mal ist es ganz ruhig, dann befinden wir uns wieder mitten im Gewusel. Modern ausgestattete Läden wechseln sich mit den alten Gebäuden. Je mehr die Sonne sinkt, desto mehr erwacht das Leben. Auch wir bleiben nicht unentdeckt. Manchmal werden wir direkt angesprochen, ein anderes Mal hören wir nur ein leises „Hello“ aus einer Ecke. Dann folgt ein Fotoshooting mit einer Gruppe Teenager. Im kleinen, einfachen Restaurant folgt ein weiteres mit einer Familie, während die anderen Gästen sich nicht ganz entscheiden können, ob sie nun auch gerne fragen wollen oder sie mit beobachten von uns zufrieden sind. Dazwischen viele aufgestellte Lächeln, Begrüssungen und „Welcome to Iran“. Uns gefällt es in Yazd sehr gut. Die Lehmbauten lassen uns in eine ganz andere und für uns unbekannte Welt eintauchen.

Wo stehen eigentlich wir?

Ich würde sagen, wir sind angekommen. Die Wärme tut gut, die für uns fremdländische Umgebung fasziniert, die herzlichen Menschen überraschen uns immer wieder aufs Neue und die Anblicke der Wüste zeigen uns, wie vielfältig „Wüste“ ist, und fesseln uns. Mit dem zusätzlichen Fakt, dass wir nun auch unser verlängertes Visa in den Händen halten, eine SIM-Karte auf unseren Namen kaufen konnten und meine Kopf- und Rückenschmerzen mit Entspannung und Yoga zurückgehen scheint wieder alles im Gleichgewicht zu sein. Wir freuen uns, hier zu sein!

Für eine Nacht in die Dünen

Unsere letzte Nacht in Yazd verbringen wir etwas ausserhalb in den stadtnahen Dünen, ein beliebter Ausflugsort für den Sonnenuntergang. Wir finden mit unserem Mitsu etwas abseits hinter einen kleinen Dünen einen ruhigen und gemütlichen Platz, um die Umgebung zu erkunden.

Und wer gesellt sich spontan zu uns: Sarah und Sämi. Denn unsere letzte Nacht hier ist ihre erste Nacht in Yazd. Nur kurz waren wir getrennt, doch gegenseitig sprudelt es nur so von den letzten Tagen. Während wir nun den Weg weiter Richtung Südosten einschlagen Richtung Dascht-e Lut (Lut Wüste), bleiben die beiden für ein paar Tage in Yazd.

Übernachtungsorte: 21.01. Umgebung Yazd / 22.01 – 23.01. RestUp Hostel, Yazd / 24.01. Wüste bei Yazd

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert